Gemba Walk: Definition, Grundlagen und Vorteile

Darstellung von verschiedenen Elementen des Lean-Managements mit einem Fokus auf den Begriff "Gemba" in der Mitte. Dies deutet auf die Praxis des Gemba Walk hin

Zusammenfassung: Ein Gemba Walk ist eine Methode zur Prozessoptimierung und Effizienzsteigerung in der Fertigung, vergleichbar mit dem Ansatz des ‚Management by Walking Around‘. Der Begriff „Gemba“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet „ Ort des Geschehens“. Während eines Gemba Walks begeben sich Führungskräfte und Mitarbeitende direkt an den Shopfloor, um den Arbeitsprozess vor Ort zu beobachten, mit Mitarbeitern in Kontakt zu treten, und Abweichungen, Fehler sowie Schwachstellen zu erkennen und zu beheben.

Was ist ein Gemba Walk? (Definition)

Der Gemba Walk ist eine Lean-Methode, die erzielt, Verschwendung (Muda) zu vermeiden und Probleme direkt am Ort der Wertschöpfung zu lösen. Der Begriff „Gemba“ (jap. Gemba: 現場) bedeutet im Japanischen „der reale Ort“ und bezieht sich in der Fertigung auf den Ort, an dem Wertschöpfung stattfindet, wie etwa eine Fabrikhalle. Führungskräfte gehen während eines Gemba Walks direkt an diesen Ort, um Arbeitsprozesse zu beobachten, mit Mitarbeitenden zu interagieren und Verbesserungspotenziale (z.B. eine reduzierte Durchlaufzeit) zu identifizieren. Das Ergebnis eines ist stets ein Maßnahmenplan. Die Methode, entwickelt von Taiichi Ohno in den 1950er Jahren, fördert durch unmittelbare Beobachtung und direkte Interaktion ein tiefes Verständnis der täglichen Arbeitsabläufe.

Was ist ein Safety Gemba Walk?

Ein Safety Gemba Walk ist eine spezielle Form des Gemba Walks, bei dem der Fokus auf der Sicherheit am Arbeitsplatz liegt. Während eines solchen Walks identifizieren Führungskräfte und Sicherheitsbeauftragte potenzielle Risiken, um die Arbeitsumgebung sicherer zu gestalten. Regelmäßige Safety Gemba Walks sind entscheidend, um eine sichere Arbeitsumgebung zu gewährleisten, indem sie verschiedene Perspektiven einbeziehen und Gefahren frühzeitig erkennen.

Die 3 Elemente des Gemba Walks

Der Gemba-Walk ist ein wesentlicher Bestandteil der Lean-Fertigung, und basiert auf drei zentralen Elementen, die zusammen eine effektive Prozessverbesserung ermöglichen. Diese Elemente sind Gehen und Sehen, Gründe erfragen und Menschen respektieren.

  1. Gehen und Sehen: Führungskräfte begeben sich direkt an den Ort des Geschehens, um Prozesse in Echtzeit zu beobachten und Ineffizienzen aufzudecken. Diese direkte Beobachtung ist essenziell, um reale Probleme zu erkennen und zu verstehen.
  2. Gründe erfragen: Durch aktives Zuhören und systematisches Hinterfragen, wie zum Beispiel mit der 5-Why-Methode, können die tieferliegenden Ursachen von Problemen identifiziert werden.
  3. Menschen respektieren: Der Gemba Walk sollte stets in einer Atmosphäre des Respekts und der Höflichkeit gegenüber den Mitarbeitenden stattfinden. Der Fokus liegt auf der gemeinsamen Arbeit an Verbesserungen, ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen.

Vorteile eines Gemba Walks

Ein gut durchgeführter Gemba Walk bringt zahlreiche Vorteile mit sich, die sowohl die Prozessoptimierung als auch die Unternehmenskultur stärken. Regelmäßige Begehungen helfen Unternehmen, Lean Manufacturing und kontinuierliche Verbesserungsinitiativen erfolgreich umzusetzen.

  • Erkenntnis von Verbesserungspotenzialen: Durch direkte Beobachtung von Arbeitsprozessen können Hindernisse im Workflow identifiziert und behoben werden.
  • Kollaboration fördern: Direkter Kontakt zwischen Führungskräften und Mitarbeitern stärkt eine kooperative Unternehmenskultur.
  • Erhöhte Mitarbeiterzufriedenheit: Die Anerkennung der Beiträge und Meinungen der Mitarbeitenden steigert deren Arbeitsmoral und Engagement.
  • Erleichterung von Veränderungen: Mitarbeitende akzeptieren Veränderungen leichter, wenn sie aktiv in den Verbesserungsprozess eingebunden werden.
  • Prozessoptimierung: Durch die Rationalisierung von Abläufen auf verschiedenen Unternehmensebenen können Zeit und Kosten gespart werden.
  • Demonstration des Engagements: Führungskräfte zeigen durch ihre Präsenz und Interaktion, dass sie sich für die berufliche Entwicklung der Belegschaft einsetzen.

Leitfaden für einen erfolgreichen Gemba Walk: Schritt für Schritt

Ein Gemba Walk erfordert eine klare Zielsetzung und eine strukturierte Vorgehensweise, um effektive Ergebnisse zu erzielen. Die folgenden Schritte bieten eine Anleitung, wie Sie einen Gemba Walk erfolgreich durchführen.

1. Thema festlegen

Starten Sie, indem Sie ein spezifisches Thema auswählen, wie z.B. Produktivität, Effizienz oder Sicherheit. Eine gezielte Vorbereitung von Fragen zu einem Thema liefert präzisere Erkenntnisse.

2. Information über den Gemba Walk

Informieren Sie Mitarbeiter in den betroffenen Abteilungen über die geplante Vor-Ort-Begehung. Transparenz und Einbindung fördern die Akzeptanz und Unterstützung durch die Mitarbeitenden.

3. Fokus auf Prozesse

Der Betriebsrundgang dient dazu, Prozesse zu beobachten und zu verstehen, nicht um Leistungen der Mitarbeiter zu bewerten. Eine Bewertung individueller Leistungen kann Abwehrreaktionen hervorrufen und den eigentlichen Zweck des Gemba Walks gefährden.

4. Wertstrom im Blick behalten

Konzentrieren Sie sich auf die Bereiche, in denen Wertschöpfung stattfindet, und identifizieren Sie ineffiziente Aktivitäten. Durch gezielte Beobachtungen können Sie Maßnahmen zur Verbesserung der Gesamteffizienz ableiten.

5. Dokumentation

Dokumentieren Sie Ihre Beobachtungen sorgfältig, ohne sofort Lösungen vorzuschlagen. Eine fundierte Analyse der gesammelten Daten ermöglicht eine umfassende Problemlösung, zum Beispiel durch den PDCA-Zyklus.

6. Eine zweite Meinung einholen

Lassen Sie einen Kollegen aus einer anderen Abteilung einen unvoreingenommenen Blick auf die Prozesse werfen. Außenstehende können oft wertvolle neue Perspektiven bieten.

7. Ergebnisse und nächste Schritte kommunizieren

Informieren Sie die Mitarbeitenden über Ihre Beobachtungen und geplante Maßnahmen, selbst wenn keine gravierenden Probleme aufgetreten sind. Transparente Kommunikation fördert Vertrauen und Akzeptanz.

Gemba Walk Checkliste

Eine gute Beobachtungsgabe und das Stellen der richtigen Fragen sind entscheidend für eine erfolgreiche Arbeitsplatzinspektion. Nutzen Sie die folgende Checkliste als Leitfaden:

  • Woran arbeiten Sie aktuelle?
  • Gibt es bereits einen etablierten Prozess?
  • Gibt es ein Problem mit dem etablierten Prozess?
  • Warum gibt es dort das Problem?
  • Wie kann man das Problem lösen?
  • Was unternehmen Sie, um die Ursache des Problems herauszufinden?
  • Mit wem sprechen Sie, wenn ein Problem auftritt?

Praxisbeispiele für Gemba Walks

Im Folgenden einige Praxisbeispiele für Gemba Walks in der Fertigungsindustrie:

1. Qualitätsüberprüfung in der Produktion

Ein Produktionsleiter entdeckt bei einem Gemba Walk eine falsch kalibrierte Maschine, die zu hohem Ausschuss führt. Durch die sofortige Anpassung wird die Ausschussrate signifikant gesenkt.

2. Identifizierung von Engpässen in der Produktion

Während eines Gemba Walks stellt ein Fertigungsunternehmen fest, dass die Produktionsrate hinter den Erwartungen zurückbleibt. Eine Umstellung der Arbeitsplatzgestaltung beseitigt den Engpass, was die Produktionsrate erhöht.

3. Sicherheitsverbesserungen

Ein Sicherheitsbeauftragter findet bei einem Safety Gemba Walk eine rutschige Stelle und sorgt sofort für deren Beseitigung. Dies fördert das Sicherheitsbewusstsein und senkt die Unfallrate erheblich.

4. Erhöhung der Maschinen- und Anlagenverfügbarkeit

Ingenieure identifizieren während eines Gemba Walks unzureichende Wartung und Kommunikationslücken zwischen Schichten, die zu Anlagenausfällen führen. Ein neuer Wartungsplan erhöht die Maschinenverfügbarkeit.

5. Reduktion von Materialverschwendung

Ein Unternehmen stellt fest, dass Schnittprogramme ineffizient eingestellt sind und zu Materialverschwendung führen. Nach einer Anpassung des Programms und einer Schulung der Mitarbeitenden wird der Materialverbrauch effizienter.

6. Verbesserung des Arbeitsumfelds

Ein Gemba Walk deckt auf, dass laute Geräusche die Kommunikation behindern und das Arbeitsumfeld belasten. Schallabsorbierende Materialien verbessern das Arbeitsklima und reduzieren Fehlkommunikationen.

FAQ | Gemba Walk

Ein Gemba Walk ist eine Methode des Lean Managements, bei der Führungskräfte und Mitarbeitende den Ort des tatsächlichen Geschehens aufsuchen, um Arbeitsabläufe zu beobachten und direkt mit den Beschäftigten in Kontakt zu treten. Ziel ist es, Probleme zu identifizieren und Potenziale zur Verbesserung aufzudecken, um die Wertschöpfung und Produktivität zu steigern. Der Begriff „Gemba“ stammt aus dem Japanischen und bedeutet „der eigentliche Ort“. Durch diese Praxis sollen kontinuierliche Verbesserungen der Arbeitsprozesse erreicht werden.

Wichtig ist es, während einer Vor-Ort-Begehung eine offene und respektvolle Haltung einzunehmen. Vermeiden Sie es, als „Kontrolleur“ aufzutreten, und zeigen Sie stattdessen Interesse an den Erfahrungen der Mitarbeitenden. Stellen Sie gezielte Fragen und hören Sie aktiv zu. Notieren Sie sich Beobachtungen und Feedback, um diese später in Strategien in Ihrem Qualitätsmanagement  einzubeziehen.

Nein, auch kleine und mittlere Unternehmen profitieren von den Produktionsbegehungen. Sie fördern die Identifikation von Verbesserungsmöglichkeiten direkt am Arbeitsplatz. Unabhängig von der Unternehmensgröße helfen sie, Prozesse effizienter zu gestalten. 

Ja, Gemba Walks sind auch in Dienstleistungsbranchen nützlich. Sie helfen, Prozesse direkt am Ort des Geschehens zu verbessern. Besonders in Bereichen wie IT, Gesundheit oder Verwaltung können sie wertvolle Einblicke bieten. Die Prinzipien bleiben unabhängig von der Branche gleich.

Nein, Gemba Walks sind eine Ergänzung, keine Alternative. Sie liefern qualitative Daten und unmittelbare Beobachtungen. Quantitative Analysen bleiben wichtig, um umfassende Einblicke zu gewinnen. Beide Ansätze zusammen bieten ein vollständiges Bild der Situation.

Gemba Walks ergänzen Lean und Six Sigma perfekt. Sie bieten praxisnahe Einblicke, die für Lean- und Six-Sigma-Projekte wichtig sind. Durch Beobachtungen vor Ort lassen sich Verbesserungsprojekte gezielt steuern. Die Kombination stärkt das Verständnis und die Umsetzung von Optimierungen.

Ein typischer Werksrundgang dauert 30 bis 60 Minuten, je nach Größe des zu beobachtenden Bereichs und der Komplexität der Prozesse, und sollte regelmäßig stattfinden: idealerweise wöchentlich oder monatlich. Die Häufigkeit hängt von spezifischen Bedürfnissen Ihres Unternehmens ab. Konsistenz ist wichtig, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen. 

Image: Adobe Stock – Copyright: © profit_image – stock.adobe.com

Arne Reis

Gründer

Arne Reis, Founder of flowdit

Prozessoptimierer mit 25 Jahren Expertise, fokussiert auf operative Exzellenz in Qualität, Instandhaltung, EHS und Inbetriebnahme. Setzt auf innovative Lösungen und höchste Qualitätsstandards.

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